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DEMOCRATIA BAVARIAE: Eine Anmerkung zur Bundestagswahl

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Dr. Hans Christian Meiser mit seiner Bundestagswahl Kolumne
Dr. Hans Christian Meiser, Kolumnist bei Exklusiv München, ist Philosoph, Psychologe und Publizist. Denken und Sport sind seine Leidenschaft.

Der Mensch ist ein Herdentier – das wissen wir. Und wir wissen auch, dass die Demokratie die beste aller Staatsformen ist, weil sich der Herdenmensch (in der Bibel auch ‚Schäflein‘ genannt) ein Alphatier auswählt, das er nach einiger Zeit wieder loswerden kann. Im Tierreich ist das nicht anders. Hat sich ein herrschwilliges Männchen oder Weibchen durchgesetzt, regiert es eine Weile, bis ein Konkurrent kommt, die bisherige Rangordnung in Frage stellt und möglicherweise auch ablöst.

Die Mittel hierfür sind immer die Gleichen: Lärm, Einschüchterung, Imponiergehabe. Die Anhänger der bisherigen Machthaber mucken eine Weile lang auf, dann aber geben sie nach und schließen sich dem neuen Herrschenden an. Bei der Gattung Homo sapiens sapiens spricht man dann von „aufgeklärten Bürgern“, in jenen Zeiten, da noch Könige die Länder durch Krieg beherrschten, von „Untertanen“. Deshalb ist das Wählhenkönnen/dürfen sowohl die Grundvoraussetzung als auch die größte Errungenschaft der Demokratie.

DUELL ODER DUETT

Die Bundestagswahl 2017 war – da sind sich alle Medien einig – von Langeweile geprägt. Nach dem Fernsehduell Merkel – Schulz titelte eine Zeitung: ‚Kuschel-Kandidaten: Zum Gähnen‘. Eine andere: „Und das soll ein Duell sein?“ Genau als solches wurde der Disput von den TV-Stationen angepriesen. Und selbst Thomas Gottschalk konnte nicht umhin, seine Meinung kundzutun: „Es war ein Duett, kein Duell“. Damit hatte er durchaus Recht. Weshalb aber ausgerechnet der SPIEGEL – nicht ganz glücklich – titelte: „Aufwachen!“ ist nicht ganz nachzuvollziehen. Zur Erinnerung: 1933 buhlte die NSDAP mit dem Slogan „Deutschland erwache!“ um Wähler.  Einige Zeit später gab es Bleistifte und alle möglichen anderen Artikel, auf denen „Deutschland ist erwacht!“ zu lesen stand. Die Folgen sind bekannt.

Ich frage mich: Was ist daran so schrecklich, wenn sich zwei Kandidaten, die um die Macht wetteifern, nicht die Köpfe einschlagen und durchaus im europäischen Demokratenton die Zuschauer und Wähler von der Richtigkeit ihrer Argumente zu überzeugen suchen?

Auf YouTube gibt es Videos zu bestaunen, auf denen zu sehen ist, wie sich Parlamentarier in Georgien, Taiwan und der Ukraine handfeste Saalschlachten liefern. Wäre uns das lieber? Sollte man seine Argumente besser mit den Fäusten oder den Parlamentssesseln durchsetzen? Was ist der Grund für diese Haltung? Weil wir „Brot und Spiele“ lieben? Oder weil wir darauf getrimmt sind, Feindbilder in unseren Köpfen zu haben? Lassen wir es deshalb zu, dass die Demokratie zu einer medienträchtigen Kampfveranstaltung in einer Arena wird?

Die ultrarechte und die ultralinke Parteienlandschaft – wie auch deren Wähler – kann nicht umhin, als „immer feste druff“ zu propa- und zu praktizieren. Da geht es in der Schweiz schon anders zu. Der „Wahlkampf“ ist so „langweilig“ (würden deutsche Medien schreiben), dass man nicht einmal die Kandidaten kennt. Aber: Geht es der Schweiz nicht gerade deshalb so gut?

MUSS ES EINEN WAHLKAMPF GEBEN?

Es ist schon merkwürdig: Einerseits lehnen die meisten aufrechten Bürger Vorkommnisse, die das Recht des Stärkeren widerspiegeln, genauso ab wie die demokratisch gewählten Autokraten aus Amerika, der Türkei oder Venezuela. Sie verurteilen ihre harsche Art, mit dem politischen Gegner oder der Wahrheit umzugehen („Fake News“). Auf der anderen Seite fordern viele aber offenbar eine härtere Gangart in der Politik. Die Sprache verrät es: „Kanzlerduell“, „Wahlkampf“, „Schlagabtausch“, „Attacke“, „Angriff“ etc. sind alle vier Jahre immer wieder die beliebtesten Worte bezüglich der politischen Auseinandersetzung.

„Wo es Auseinandersetzungen gibt, ist es Zeit, sich auseinander zu setzen“, sagte einst der deutsch-jüdische Schriftsteller Otto Mainzer. Wollen wir also unsere Ansichten mit aller Gewalt durchsetzen oder möchten wir uns von den jeweils besseren Argumenten überzeugen lassen? Ist es besser, dem zu folgen, der uns alles verspricht und nichts hält oder halten wir nicht doch lieber am gesunden Menschenverstand fest? Möchten wir tatsächlich homines sapientes sapientes sein oder Stimmvieh, das dem nacheilt, der am lautesten brüllt?

GELEBETE DEMOKRATIE AM NOCKHERBERG

In Bayern haben wir es gut. Da gibt es einen Landesfürsten, der ohne wild-markante Sprüche und ohne andere niederzubrüllen, regiert. Und der für die Wochen vor der Wahl die Losung ausgegeben hat, „ein schnurrendes Kätzchen, kein brüllender Löwe“ zu sein. Wenn er sich bewegt, dann geht er nicht, sondern schreitet, wie es sich für sein Amt gebührt.

Das Regieren fällt ihm natürlich leicht (auch wenn die absolute Mehrheit bei der Wahl 2017 in weite Ferne gerückt ist). Manch einer seiner Vorgänger verhielt sich da anders und schlug, nur um aufzufallen, auch ohne gegnerische Parteien wild um sich. Handeln aus der Ruhe heraus ist aber gewiss immer besser als unbeherrschtes Rabaukentum. Nicht umsonst heißt es ja seit jeher: „Majestät geruhen zu…“

Und in München? Na ja, immerhin geht es hier gesittet zu. Eine tiefsitzende, gegenseitige Abneigung gibt es ohnedies nicht. Spätestens beim Starkbieranstich am Nockherberg sind alle wieder friedlich vereint, weil ihre Ausrutscher und Entgleisungen mittlerweile bühnenreif geworden sind. Der Rest der Republik kann hier durchaus etwas lernen: Nichts wird so kalt getrunken, wie es auf den Tisch kommt. Irgendwann wird das Bier warm. Und damit auch die Seele. Und dann sind alle wieder nett zueinander. Es lebe also nicht nur die Gemütlichkeit, sondern auch die Demokratie (nach bayerischem Vorbild)!

Sie wissen ja: Wir freuen uns über Ihre Gedanken zu diesem Thema. 

Senden Sie uns Ihre Meinung an: meisersmore@exklusiv-muenchen.de

Ihr Dr. Hans Christian Meiser

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