Für ein paar Stunden stand mal Deutschlands berühmtester Barkeeper Charles Schumann nicht hinterm Tresen, sondern hörte den drei World Class Bartendern Noureddine ‚Nouri‘ Elmoussaoui, Falco Torini und der Diageo Brand Ambassador Branimir Hrkac zu. Zwei Stunden lang verwandelten sie Schumann’s Les Fleurs du Mal in eine Art ‚Cocktail Labor‘! Wie sich die Barszene verändert? Welche Cocktails ‚in‘ sind? Drei Trends durften wir verkosten! von Yvonne Wirsing
Mit Alkohol zu mehr Disziplin? Zugegeben, noch klingt das ziemlich ambitioniert, aber in Zukunft werden Bars ihre Cocktailkarte wohl immer häufiger nicht mehr nach Namen sortieren, sondern stattdessen mit Gefühlen und Werten verknüpfen. Denn in einer Gesellschaft, die sich zunehmend über Erlebnisse definiert als über Besitz, sollen Drinks vor allem eines sein: emotional. Über Farben, Düfte, raffinierte Zutaten, zum Teil sogar über moderne Algorithmen, wird im Glas künftig die gewünschte Stimmung erzeugt.
Emotional Economy heißt der Megatrend und ist ein Ergebnis der aktuellen WORLD CLASS-Studie ‚The Future of Cocktails‘. WORLD CLASS ist eine Initiative des weltweit größten Spirituosenexperten Diageo für eine gehobene Trinkkultur. Gemeinsam mit dem renommierten, britischen Trendforschungsinstitut The Future Laboratory wollten die Experten wissen: Welche Konsequenzen haben Globalisierung und Digitalisierung auf die Barkultur? Was sind die kommenden Trends?
Cocktails 2020?
Die Cocktail-Kultur boomt. Allein bis 2020 werden 400 Millionen neue Konsumenten erwartet – und zwar weltweit. Längst sind Cocktails nicht mehr nur ein rein europäisches oder amerikanisches Interesse. In den vergangenen fünf Jahren ist der Konsum in Afrika und im Nahen Osten um 26 % gestiegen, in China um 22 % und um 15 % in Asien allgemein.
Auch die Geschlechterrolle hat sich verändert: Ein Mann, der Rosé trinkt und eine Frau mit einem Old Fashioned – Why not!? Die Globalisierung überwindet nicht nur nationale Grenzen – auch die Geschlechterrollen verwischen zunehmend. Für die Bars bedeutet das: Gut geschultes Personal, das souverän und flexibel auf die unterschiedlichsten Kundenbedürfnisse eingehen kann, wird in Zukunft immer wichtiger! Damit dürfte Barkeeper nicht mehr länger nur ein Job sein!
Außerdem emanzipieren sich Cocktails aus der etablierten Barumgebung. Auch Pubs und Restaurants bieten mittlerweile Drinks an oder aus Bars werden auch Restaurants. Das schafft einerseits immer experimentellere Synergien zwischen Spirituosen und Lebensmitteln, zum anderen avancieren Cocktails immer häufiger zum Digestiv. Diese Veränderungen haben auch Auswirkungen auf den Geschmack. Bittere Rezepturen wie Old Fashioned, Negroni, Sazerac, Manhattan und Dry Martini bildeten die Top 5 der beliebtesten Drinks 2015.
Dass raffinierte Zutaten, innovative Technologien und kreatives Personal das Gesamtkonzept des Cocktails verändern, erzählten und zeigten uns auch die drei World Class Bartendern Noureddine ‚Nouri‘ Elmoussaoui, Falco Torini und der Diageo Brand Ambassador Branimir Hrkac.
Drei Trends bei den Cocktails
Bei dem Trend ‚Emotional Cocktails‘ wird auf Farbe, Geruch und Ambiente gesetzt. Anhand der Farblehre stellte man uns drei Cocktails vor, welche entsprechende Emotionen und Empfindungen auslösten. Diageo Brand Ambassador Branimir Hrkac erzählt währenddessen von der Frankfurter Roomers Bar, wo man bei den Cocktails die Farbe ausschaltet, weil man diese in rabenschwarzen Gläsern serviert. Im Operation Dagger in Singapur zum Beispiel wird Wodka, der mit pH-empfindlichen Erbsenblüten und leuchtendem Zitronengras durchzogen ist, mit Champagner gemixt. Die Blasen verwandeln die Farbe des Kobaltlikörs in ein leuchtendes Pink. ‚Gerade in einer Zeit, in der jeder jeden Tag mit unzähligen Informationen konfrontiert wird, ist es in der Food- & Drinkingszene essentiell, eine tiefe Bindung zu den Gästen aufzubauen und Emotionen hervorzurufen‘, ist sich Branimir Hrkac sicher.
Innovative Barkeeper kredenzen auch eine außergewöhnliche Getränkekarte. Statt herkömmliche Namen aufzulisten, laden neue Getränkekarten dazu ein, die Drinks zu erforschen. Die Bar Trick Dog in San Francisco hat alle Cocktailnamen durch astrologische Zeichen und Pantonefarben ersetzt. Das Fragrances im The Ritz-Carlton in Berlin ist die erste Bar, in der Getränke nach Düften und Aromen bestellt werden können. Auch Münchens neue Kopper Bar hat auf der Bar-Karte Cocktails mit Namen ‚Horseradish‚, ‚Kardamom‘, ‚Thai Chili‘ oder ‚Pinie‘!
Mal schaun, was sich demnächst Charles Schumann einfallen lässt?
Sein neuer Bar-Mann Nouri Elmoussaoui zelebriert den Trend ‚Fluid Identity Patrones‚. Mit seinem Drink bricht er herkömmliche Barregeln, denn verschiedene Kulturen werden in einem Drink vereint. Außerdem widmet er sich dem Thema Nachhaltigkeit und verwertet klassische Cocktail-Zutaten komplett, welche früher entsorgt wurden. Unbedingt nach der Geschichte mit der fermentierten Ananasschale fragen!
Das Motto von dem Trend ‚Controversy Cocktails‘ ist Challenge your audience! Eine Zutat wie Koriander erwartet zunächst niemand in einem Drink, doch genau diese ungewöhnlichen Zutaten und Zubereitungsarten sind für Falco Torini spannend. Daher kreierte er einen Drink mit Koriander, auch wenn nicht jeder diese Zutat mag. Getreu dem Motto ‚If you’re not pissing off 50% of people, you’re not trying hard enough.‘ Yvon Chouinard
Eins ist klar, niemand weiß, was die Zukunft bringt. Die Barszene und die Zukunft der Cocktails bleibt nach so einem Workshop spannend!