Der Tod von Alice und Ellen Kessler, den beiden großen Damen des deutschen Showbusiness, hat die Kultur‑ und Gesellschaftsszene Münchens tief berührt. Gemeinsam starben sie im Alter von 89 Jahren am 17. November 2025 in ihrem Zuhause in Grünwald – so, wie sie es sich immer gewünscht hatten. Seit Jahrzehnten unzertrennlich, tanzten sie bis zuletzt im Gleichklang durchs Leben. Und auch ihren Abschied hatten sie, wie vieles zuvor, bewusst gemeinsam gestaltet.
Nach Medienberichten nahmen die beiden eine Form der begleiteten Sterbehilfe in Anspruch – eine Entscheidung, die nicht nur Mitgefühl, sondern auch eine breite gesellschaftliche Diskussion ausgelöst hat.
In München, wo Lebenskunst und Lebenswürde traditionell eng verwoben sind, stellt sich erneut die Frage: Wie wollen wir sterben – und wie selbstbestimmt darf dieser Weg sein?

Ein Abschied, der München bewegt – im Nachdenken über das Lebensende
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020, das den assistierten Suizid unter Voraussetzungen zulässt, hat vieles verändert – aber auch viel offen gelassen. Zwischen Autonomie und Verantwortung, Selbstbestimmung und Schutz entsteht seitdem ein Raum, der in Bayern besonders sensibel betrachtet wird.
Denn München ist eine Stadt, die beides kennt: den weltoffenen, liberalen Geist einer urbanen Gesellschaft und die ethisch geprägten Wurzeln einer Region, in der Hospizbewegung und christliche Tradition fest verankert sind. Der Tod der Kessler‑Zwillinge bringt dieses Spannungsfeld in eindrucksvoller Klarheit hervor.
Selbstbestimmung als Haltung
Die Kesslers waren stets Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand nahmen. Ihre Karriere, die am Lido in Paris begann und sie auf die größten Bühnen der Welt führte, war geprägt von Perfektion und Selbstbestimmtheit. Dass sie ihrem Lebensende dieselbe Haltung verliehen, wirkt konsequent, fast schon poetisch.
Ihr Wunsch, gemeinsam zu sterben – „Im Tode vereint. So hätten wir es gern“ -, war bereits vor Jahren dokumentiert.
In einer Stadt wie München, die Wert auf Würde, Privatsphäre und Haltung legt, löst diese Form der letzten Entscheidung mehr Nachdenken als Urteil aus.
Münchens Weg zwischen Ethik und Realität
Bayern hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Frage des assistierten Suizids beschäftigt. Der Bayerische Ethikrat empfiehlt eine staatlich regulierte, verantwortungsvolle Praxis – einen Mittelweg, der Selbstbestimmung ermöglicht, aber Missbrauch verhindert.
In München ist dieses Thema besonders präsent: Hospize, Palliativnetzwerke und Kliniken arbeiten seit Jahren daran, Menschen in ihren letzten Lebensphasen nicht nur medizinisch, sondern auch seelisch und spirituell zu begleiten. Die Stadt gilt als Vorreiterin in qualitativ hochwertiger Palliativversorgung.
Doch der Tod der Kesslers zeigt:
Wir müssen nicht nur begleiten – wir müssen auch verstehen.
Was uns ihr Abschied lehrt
Der doppelte Tod der berühmten Zwillinge ist kein Skandal.
Er ist ein Signal. Ein Impuls für München, sich jenseits politischer Polarisierung erneut der Frage zuzuwenden:
Wie sieht ein würdevoller, selbstbestimmter Abschied im 21. Jahrhundert aus – in einer Stadt, die für Lebensfreude, Vielfalt und Bewusstsein steht?
Die Kessler‑Schwestern hinterlassen ein Vermächtnis, das weit über Musik, Tanz und Glamour hinausgeht.
Sie hinterlassen den Mut, über das Lebensende so offen zu sprechen wie über das Leben selbst.
Und vielleicht ist genau das ihr letzter großer gesellschaftlicher Beitrag.
Fazit
Der Tod der Kessler‑Zwillinge hat München innehalten lassen.
Nicht aus Voyeurismus – sondern aus Respekt.
Sie waren Stars, Stil-Ikonen und feinfühlige Frauen, die wussten, was sie wollten. Und sie haben der Stadt, die ihnen ein Zuhause wurde, noch einmal etwas geschenkt:
Den Mut zur Frage nach Würde, Autonomie und der Verantwortung, ein Lebensende zu gestalten – genauso bewusst wie ein Leben.
Rechtliche und ethische Lage zu begleitete Sterbehilfe München
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärte am 26. Februar 2020, dass das Verbot geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) verfassungswidrig sei. Damit wurde klargestellt: Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist auch durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gedeckt.
In Deutschland ist demnach grundsätzlich die Hilfe zur Selbsttötung (assistierter Suizid) nicht mehr strafbar, sofern der Suizidwillige eigenverantwortlich handelt.
Spezifisch für Bayern
Der Bayerische Ethikrat veröffentlichte 2022 eine Stellungnahme zum assistierten Suizid. Eine Mehrheit der Mitglieder empfiehlt eine staatlich regulierte Form von Beratungs- und Assistenzangeboten für Menschen mit infauster medizinischer Prognose. Dabei wird die gleichzeitige Wahrung von Lebensschutz und Selbstbestimmung betont.
Auch Einrichtungen wie die Diakonie Bayern sehen in der Umsetzung des Urteils von 2020 eine große Herausforderung – gerade für Einrichtungen konfessioneller Prägung.
Praktische Aspekte in München
Die medizinisch-ethische Realität in München zeigt sich differenziert. Medikamente zur Selbsttötung bereitzustellen oder aktive Sterbehilfe durchzuführen, bleibt rechtlich umstritten – insbesondere bei eingeschränkter Urteilsfähigkeit (z. B. psychischer Erkrankung).
Im Mittelpunkt steht daher die Beratung und Begleitung. Die Entscheidung über ein Lebensende sollte nicht isoliert getroffen werden – sondern in einem Rahmen aus professioneller Beratung, ethischer Reflexion und medizinischer Einschätzung.
Seriöse Beratungs- und Begleitangebote in München & Bayern
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Hospizverein München e.V. – Sterbe- und Trauerbegleitung
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SAPV München – Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung
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Christophorus Hospizverein – renommierte Hospizeinrichtung
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Krisendienst Psychiatrie München – 24/7 Hilfe in akuten Krisen
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TelefonSeelsorge München – anonyme, kostenfreie Beratung
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LMU Klinikum – Klinisches Ethikkomitee – bei komplexen Entscheidungen
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Deutsche Stiftung Patientenschutz – rechtliche Infos und Patientenrechte
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Landesverband Hospiz Bayern – Übersicht ambulanter und stationärer Angebote
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Fachstellen der Kirchen und Humanistischen Vereinigung – spirituelle und weltanschauliche Begleitung
(Alle genannten Institutionen sind seriös, nicht kommerziell und öffentlich zugänglich.)


