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Online-Kunsthandel: Interview mit artnet-Vice Sophie Neuendorf

Der Online-Kunsthandel gewinnt im Zuge der Corona-Krise und der Digitalisierung immer mehr an Bedeutung. Vorreiter auf diesem Gebiet und Experte ist die Familie Neuendorf aus Deutschland, die mit der Online-Platform artnet als Galerie-Netzwerk bereits 1989 startete. In einer globalisierten Kunstwelt bietet artnet nach mittlerweile 32 Jahren Firmengeschichte Informationen zu Künstlern, Galerien, Preisentwicklungen, Ausstellungen und dem internationalen Kunsthandel. Mit dem renommierten „Price Database“, das weltweit umfangreichste Archiv für Auktionsergebnisse (umfasst mehr als zwölf Millionen Ergebnisse) finden Sammler, Kunstliebhaber und Experten allumfassende Informationen zum Kunsthandel. Schon 2008 führte artnet die erste Online-Auktion ein – dieses ist vor allem heute von unschätzbarer Bedeutung.

Aber wie sieht die Zukunft des Kunstmarkts aus?

Was gilt es zu beachten, wenn man Kunst online erwirbt? Und wie hat die Corona-Krise den globalen Handel beeinflusst? Im Interview spricht Sophie Neuendorf über die aktuellen Trends, das Familienunternehmen und Kunst in Zeiten der Krise.  

Sophie Neuendorf (34) ist artnet Vice President. Auch ihre Brüder Henri (32), Albert (28) und CEO Jacob (48) sind im Familineunternehmen. Der Sitz von artnet ist in Berlin, New York und London. 
Sophie Neuendorf (34) ist artnet Vice President. Gemeinsam mit ihren Brüdern Henri (32), Albert (28) und CEO Jacob (48) arbeitet sie im Familienunternehmen. Der Sitz von artnet ist in Berlin, New York und London.

Frau Neuendorf, Ihr Vater Hans Neuendorf hat im Jahr 1989 mit dem Hintergrund, Transparenz in den Kunstmarkt zu bringen, artnet gegründet und zum Erfolg geführt. Inwieweit hat die Kunst Ihre Kindheit geprägt?

Sophie Neuendorf: „Meine Kindheit war von allen Seiten durch die Kunst geprägt. Wir sind mit den Werken von Künstlern zum Beispiel Lucio Fontana, Picabia, Twombley, Kounellis, Baselitz, Nay und auch den Werken meines Großvaters, Georg Karl Pfahler, aufgewachsen. Als ich acht Jahre alt war, sind wir nach New York gezogen, da mein Vater dort die Firma artnet gründete. Abgesehen davon hatte mein Vater Ende der 60er Jahre mit einigen anderen Händlern die erste Kunstmesse in Köln gegründet. Und er hat die erste Pop Art Ausstellung in Hamburg gezeigt, mit Werken von Warhol und Lichtenstein. Das war im Jahr 1964.

Meine Mutter studierte Kunstgeschichte an der Ecole du Louvre in Paris und ist ihrerseits mit Kunst aufgewachsen, da mein Großvater nicht nur selbst Künstler war, sondern auch seine Zeitgenossen sammelte. Ich habe viel Zeit mit meinem Großvater in dessen Studio verbracht, und seine Skizzenbücher vollgekritzelt.“

Ihre Brüder und Sie arbeiten schon seit vielen Jahren für artnet. Was sind die Vorteile eines Familienunternehmens? Und wie sind die Aufgaben verteilt?

Sophie Neuendorf: „Das große Vertrauen und auch ein Maß an Ehrlichkeit, das es vielleicht in Konzernen nicht geben kann, ist sicherlich ein Vorteil. Es ist wirklich ein Privileg und ein Vergnügen mit meinen Brüdern zusammenzuarbeiten. Wir lernen nach wie vor viel von unserem Vater. Als nächste Generation ergänzen wir das Geschäft mit neuen Gedanken, die vielleicht die ältere Generation nicht als relevant empfindet. Zum Beispiel Artificial Intelligence, Machine Learning oder die sozialen Medien. Als es mit den sozialen Medien los ging, hat mein Vater überhaupt nicht daran geglaubt. Als Vertreter einer sehr belesenen Generation empfand er Facebook und Twitter als schrecklich oberflächlich. Der jungen Generation generell hingegen fehlen vielleicht die Geduld und das Wissen, die eine langjährige Erfahrung mit sich bringt. Aber Gott sei Dank haben wir uns bei den sozialen Medien nicht vom Wege abbringen lassen, denn sie sind mittlerweile ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Firma und auch des Kunsthandels. Jetzt mehr denn je! Wie oft wurde schon behauptet, dass Künstler Werke über Instagram oder dem chinesischen WeChat verkauft haben!“ 

Welche Kunst hängt bei Ihnen zu Hause an der Wand? Und haben Sie einen Lieblingskünstler

Sophie Neuendorf: „Ich liebe es, mit verschiedenen Epochen der Kunstgeschichte zu leben. Dementsprechend hängen bei mir sowohl zeitgenössische Werke und Moderne Kunst sowie Alte Meister oder Fotografien. Ich glaube, dass gute Werke, egal welcher Zeit, hervorragend miteinander leben können. Bei mir Zuhause gibt es ein besonders schönes Bild des Altmeisters Lucas Cranach der Ältere sowie natürlich Arbeiten meines Großvaters Georg Karl Pfahler. Eines hat er für mich gemalt und mir gewidmet, daran hänge ich ganz besonders. Auch ein Bild des West Coast Pop Künstler Billy Al Bengston sowie eine herrliche Skulptur von Robert Graham und Arbeiten des spanischen Fotografen Miguel Soler Roig befinden sich in meiner Wohnung.

Einen Lieblingskünstler auszusuchen ist wie ein Lieblingskind zu haben, also eigentlich unmöglich! Aber wir sind immer auf der Suche nach jungen Künstlern. Vor allem mit meinen Brüdern Henri und Albert diskutiere ich oft darüber, welche Künstler und Bilder wir gerade spannend finden. Das Thema ist bei uns so wichtig wie eine Diskussion über Politik oder Religion.“ 

Der Kunstmarkt hat sich in der letzten Zeit sehr verändert und insgesamt nimmt das Interesse und die Investition gerade bei jungen Leuten zu. Was raten Sie diesen Neukunden. Und was sollte man beachten, wenn man Kunst online kauft? 

Sophie Neuendorf: „Herkömmliche Auktionshäuser verschicken Kataloge und veranstalten nur wenige Male pro Jahr eine Auktion. Der Kunstkauf online hingegen ist übersichtlicher, schneller, einfacher und transparenter. Ich würde darauf achten, nur bei renommierten Webseiten zu kaufen. Meine Tipps: Auf Qualität achten. Es ist besser, ein richtig gutes Bild zu besitzen als mehrere mittelmäßige. Warten Sie, bis ein wirklich gutes Bild innerhalb des vorhandenen Budgets zum Verkauf freigegeben wird. Überprüfen Sie die Preise und den Markt des Künstlers, so dass ein guter Kauf erkannt werden kann. Wir vertreiben die weltweit renommierteste Preisdatenbank, die zu diesem Zweck von Sammlern und Händlern weltweit verwendet wird. Berücksichtigen Sie auch die Transaktionskosten bevor Sie bieten. Käuferprämie, Versand, Versicherung und Steuern können den Kauf erheblich verteuern.“

Corona-Krise und Kunst – wie passt das zusammen? Wie hat Ihrer Meinung nach die Krise die Kunstwelt beeinflusst?

Sophie Neuendorf: „Platon hatte recht: Notwendigkeit ist die Mutter der Erfindung. Im Kunstmarkt hat die Krise einen tiefgreifenden und nachhaltigen digitalen Wandel hervorgerufen. Händler sowie Sammler und Kunstliebhaber machen sich endlich die Vorteile des Internets zu eigen. Obgleich die Krise sehr schwer war und ist und auch viel Trauer und Leid mit sich gebracht hat, hat sie dennoch auch positive Veränderungen im Kunsthandel herbeigeführt.“

Was nehmen Sie persönlich mit aus dieser Zeit? Und wie glauben Sie wird der Kunstmarkt nach der schweren Krise aussehen?

Sophie Neuendorf: „Die Renaissance im 14. Jahrhundert war eine Reaktion auf die Pest. Auch diese Pandemie wird enorme gesellschaftliche Veränderungen nach sich ziehen. Dies wird auch den Kunstmarkt betreffen. Man kann noch nicht genau absehen, wohin wir uns entwickeln werden. Eine Tendenz, die wir bei artnet beobachten, ist eine enorme Steigerung der Online-Verkäufe und ein hohes Interesse an Online-Plattformen. Dies wird auch nach dem Ende der Pandemie bestehen bleiben.“

Gerade junge Künstler trifft es jetzt in der Krise schwer. Was raten Sie diesen?

Sophie Neuendorf: „Ich möchte den jungen Künstlern raten, die Initiative zu ergreifen. Es gibt durch Social Media und Websites wie eben artnet so viele Wege, auf sich aufmerksam zu machen. Sie sollten diese einmalige Zeit des Umbruchs nutzen, um Ihr Oeuvre weiterzuentwickeln und eigenständig oder mit ihrer Galerie zusammenarbeiten, um den Online-Handel positiv einzusetzen.“

Kunst als Wertanlage wie Aktien oder Immobilie

Sehen Sie persönlich Kunst mehr als Investment oder Herzensangelegenheit, das heißt: Sollte Kunst eine Wertanlage sein oder primär gefallen?

Sophie Neuendorf: „Ich glaube, ein Kunstwerk muss berühren, denn dann hat man in jedem Fall Freude daran und kann sich damit auseinandersetzen. Natürlich ist es aber trotzdem ratsam, den Wert zu kennen. Da Kunst sich als Wertanlage etabliert hat – genauso wie Aktien oder Immobilien – sollte man wissen, was man für eine Rendite erwarten kann. Ich gebe immer diesen Rat: buy for pleasure but with an investment view.  

Mein Vater hat immer Künstler gefördert, und zwar nicht, weil er sich dadurch einen sofortigen Profit erhofft hat, sondern weil er an den Künstler und dessen Können glaubte und begeistert war. Leider werden heute Künstler nicht mehr so häufig aus Begeisterung gefördert. Ein Problem dabei ist sicherlich der Wiedererkennungswert bestimmter Künstler und die damit verbundenen Preise. Das Investment ist auf den ersten Blick erkenntlich und der gesellschaftliche Status auch.

Was ist, wenn ich einen Picasso an der Wand habe, der aber nicht die sofort erkennbaren Merkmale auszeichnet? Für viele ist es entscheidend, dass die Zuordnung sofort stattfindet. Deswegen lassen sich manche Kunstwerke nicht gut verkaufen. Dann kann das Bild noch so gut sein. Es geht eben auch um den Wiedererkennungswert. Aber so zu denken ist nicht ratsam. Ich würde mir wünschen, dass mehr Sammler Bilder finden und damit auch Künstler, die sie einfach inspirieren – abgesehen von allen Erwartungshaltungen. Es geht nicht darum, was alle anderen denken. Denn nur so schreitet die Kunstwelt voran und kann sich entwickeln.“

In der letzten Zeit gibt es ein großes Galeriesterben. Hat die gute alte Galerie ausgedient?

Sophie Neuendorf: „Galerien werden im Kunsthandel immer eine wichtige Rolle spielen, denn sie sind die Verbindung zwischen Künstler und Gesellschaft. Ohne ihre vermittelnde Arbeit gäbe es den Kunstmarkt nicht. Allerdings ist es denkbar, dass Künstler mit Hilfe der sozialen Medien mehr und mehr selbst Initiative ergreifen werden.“   

Wie erklären Sie sich das Phänomen, dass jeder bei Kunst dabei sein will?

Sophie Neuendorf: „Kunst ist schon immer ein Spiegel der Gesellschaft gewesen. Anfangs arbeiteten die Künstler im Dienst der Kirche oder des jeweiligen Herrschers. Es ist faszinierend zu sehen, wie sehr die Kunst sich an der Bewusstseinswerdung der Gesellschaft orientiert und Strömungen spiegelt. Es sind auch immer die Künstler gewesen, die Grenzen überschreiten und eine Atmosphäre der Toleranz förderten. Auch sie sind es, die auf gesellschaftliche Missstände hinweisen. Gerade jetzt, in einer Zeit, in der wir alle gezwungen sind, zurückgezogen zu leben und unsere Häuser und Grenzen zu schließen, hat Kunst die Kraft, einen interkulturellen Austausch zu eröffnen. Darüber hinaus hat Kunst das Potenzial, wichtige Diskussionen über aktuelle Themen wie Religion, Geschlecht, Rasse und Politik anzuregen.“ 

Was ist das Besondere an artnet und warum ist das Portal so erfolgreich?

Sophie Neuendorf: „artnet ist das erste online Kunstportal weltweit. Es wurde 1989 gegründet. Mein Vater ist Visionär und hat schon 2008 Online-Auktionen   eingeführt. Mit der langjährigen Erfahrung erstaunt es nicht, dass artnet heute die Führung auf diesem Gebiet übernommen hat. Es ist auch diese über Jahrzehnte geleistet Arbeit und Erfahrung meines Vaters als Kunsthändler, der den Geist von artnet prägt. Unsere Kunden vertrauen unserer Expertise.

Als Kernprodukt hat unsere Preisdatenbank im Kunsthandel für Transparenz gesorgt. Dies hat zu großem Vertrauen in den Markt geführt und ihn enorm vergrößert. Danach haben wir weitere, den Handel ergänzende Produkte hinzugefügt: das Galerien-Netzwerk, wie bereits erwähnt, Online-Auktionen, einen täglichen Nachrichtendienst, artnet news, der sich außerordentlich großer Beliebtheit erfreut, und neuerdings auch Analytics.

Sie ermöglichen es, die Marktentwicklung eines Künstlers oder einer Bewegung zu verfolgen und diese mit anderen Anlagewerten wie zum Beispiel Gold oder den S&P zu vergleichen. Ich glaube, die Leidenschaft für die Kunst und den Handel ist es, was die Firma so erfolgreich macht. Und wir, meine Brüder und ich, tragen diesen Geist nun in der zweiten Generation weiter.“

Interview: Andrea Vodermayr

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