Ihre Kleider sind alles Kunstwerke: die Rede ist von Dirndl-Pionierin und Trachten-Designerin Lola Paltinger. Dass kreative Talent hat sie von ihrer Mutter Brigitte geerbt. Diese absolvierte eine Schneiderlehre und zwei Gesellenjahre in einem Couture-Salon und schloss anschließend ein Mode-Studium an der Werk-Kunstschule in Wiesbaden mit dem Staatsexamen ab. Und bis heute, mit 85 Jahren, ist Brigitte Paltinger als bildende Künstlerin aktiv.
Im Interview sprechen Lola und Brigitte über die Liebe zur Kunst, über ihr Business, das sie gemeinsam aufgebaut haben, und über ihr Mutter-Tochter-Verhältnis
Mit 85 die erste Kunst-Ausstellung – wie fühlt sich das an und alle fragen sich, warum nicht früher?
Brigitte Paltinger:„Ich habe schon als Kind gezeichnet und wollte eigentlich Modezeichnerin werden. Aber in den 50er Jahren kam die Fotografie auf, und dieser Wunsch gestaltete sich schwierig, weil nur noch Fotografien gefragt waren. Ich habe also die andere Linie eingeschlagen und eine Schneiderlehre gemacht und dann zwei Gesellenjahre in einem Couture-Salon. Und dann war ich auf der Modeschule, die ich mit dem Staatsexamen abgeschlossen habe. Das war ein guter Weg, da ich damit immer gut Geld verdient habe. Ich habe quasi mein ganzes Leben lang in der Mode gearbeitet, habe unter anderem auch für Tanzschulen die Ballkleider gefertigt, und dann habe ich Lola helfen können. Jetzt male und zeichne ich wieder. Ich bin immer schon in Malkursen gewesen. Und jetzt habe ich diese Ausstellung. Für mich mit 85 Jahren ist das eine schöne Sache. Eine gewisse Krönung.“
Lola, hat Ihre Mutter Ihnen auch das Kunst-Gen vererbt?
Lola Paltinger: „Mein Großvater, also der Vater meiner Mutter, war Maler. Er war Autodidakt, hat das Malen nie an einer Akademie oder Ähnlichem gelernt, aber er hat von seiner Kunst leben können. Er hat beispielsweise wunderbare Karikaturen gemacht. Meine Mutter und ihr Bruder haben beide dieses Zeichentalent geerbt. Ich leider weniger (lacht). Ich kann meine Modezeichnungen, aber bei Portraits hört es auf. Meine Mutter hat immer schon nebenher gezeichnet.
‚Lebendigkeit Münchens erfüllt sie‘
Die letzten 20 Jahre hat sie dann die Zeit gefunden, dies in Mal- und Zeichenkursen zu vertiefen. Und das hat ihr immer große Freude gemacht. Und nun hatte sie die Gelegenheit, mit ihrer Freundin diese Ausstellung zu machen. Sie hat viel dafür gearbeitet. Sie zeichnet nicht abstrakt, sondern figürlich bzw. gegenständlich. Und dafür braucht es ein großes Gefühl für die Mimik und die Proportionen. Sie hat ihren eigenen Stil und die Werke sind sehr gut gezeichnet. Sie liebt auch Modezeichnungen, und es sind hier auch einige Kleider-Kunstwerke dabei, was mich natürlich besonders freut. Ich finde es toll, dass sie nun wieder mehr Zeit für die Malerei hat und sie dies auch so erfüllt. Auch die Lebendigkeit Münchens erfüllt sie, so dass sie bisher gar nicht zu uns an den Tegernsee möchte. Sie sagte einmal: ‚Nicht, dass ich dann nur noch spazieren gehen kann.‘ Das Leben in der Stadt ist für Mutti eine ständige Inspiration.“
500 Künstler in München – nur eine Handvoll kann davon leben
Brigitte Paltinger: „Das Landleben wäre tatsächlich nichts für mich. Ich habe hier in München meine Bekannten und meinen Zeichenunterricht. Ich brauche das. Das war schon immer so. Die Ehe allein hat mir auch nie genügt…(lacht) Ich hatte schon damals in der Schule viele Zeichenwettbewerbe gewonnen und habe auch schon Bilder ausgestellt, aber immer nur ein, zwei Bilder. Jetzt sind es 18 Bilder nur von mir, und die einer Kollegin. Insofern ist es eine besondere Geschichte. Ich hatte es ehrlich gesagt auch etwas unterschätzt. Es war viel Arbeit.
Ich mache keine abstrakten Bilder, sondern Portraits in Aquarell und Modezeichnungen, außerdem Blumen-Motive. Hier in München gibt es etwas 5000 Künstler und nur eine Handvoll kann damit leben. Es ist sehr schwierig, und mit Ausstellungen ist es ähnlich. Insofern freue ich mich natürlich sehr über diese Möglichkeit, hier im Frauenforum meine Werke zeigen zu können.
Was kostet ein echter Paltinger?
Brigitte Paltinger: „Das ist unterschiedlich, Die Portraits liegen bei ca. 900 Euro, sie sind aber auch ziemlich groß: DIN A3 Größe. Man muss da schon was können und es ist wie gesagt auch Arbeit. Ich arbeite meist an mehreren Bildern gleichzeitig. Denn es kommt oft der Punkt, wo man merkt, dass man nicht mehr im Flow ist. Und dann besteht die Gefahr, dass man das Bild kaputt macht. Deshalb ist es besser, das Bild dann stehen zu lassen und später wieder ranzugehen.“
Sie haben die Firma gemeinsam aufgebaut. Arbeiten Sie heute noch zusammen?
Lola Paltinger: „Man kann durchaus sagen, dass meine Mutter sich jetzt erst einmal verstärkt ihren eigenen Dingen widmet, der Kunst zum Beispiel. Aber wenn Not am Mann ist, würde sie natürlich jederzeit aushelfen. Ohne sie und ohne ihre Ausbildung hätte ich mein Business gar nicht aufbauen können. Ich kam damals frisch von der Modeschule und hatte keinerlei praktische Erfahrung. Ich hätte zu Beginn keine Couture-Kleider machen können. Am Anfang hat deshalb Mami diese für mich genäht – und ich habe die Hilfsarbeiten gemacht (lacht). Aber dann wurden es immer mehr Teamwork und diese Zeit war ein sehr wichtiger Lebensabschnitt für mich. Jetzt haben wir das Ganze räumlich etwas verlagert. Aber es ist nicht so, dass meine Mutter nicht mehr im Boot ist.“
Sie haben lange Zeit unter einem Dach gewohnt, jetzt lebt eine in München, eine am Tegernsee. Hat das Ihr Verhältnis verändert?
Lola Paltinger: „Natürlich sehen wir uns jetzt seltener. Aber wir telefonieren jeden Tag. Meine Mutter steht so fest in ihrem Leben und ist so autark und selbstständig. Es ist auch nicht so gewesen, dass sie davor jeden Abend bei uns saß. Bevor wir beide in die Müllerstrasse gezogen sind, haben wir sogar in einer Wohnung gelebt. Wir haben das Geschäft in unserem Wohnzimmer aufgebaut – und den Kunden hat das damals sehr gefallen. Wir hatten also lange Phasen, in denen wir zusammengelebt haben – auch als ich schon erwachsen war. Es war schön, dass wir das Business gemeinsam aufbauen konnten und jeder seinen Part hatte.
Vor den Kunden hieß es immer ‚Lola UND Brigitte Paltinger‘. Aber ich finde es toll, dass meine Mutter jetzt verstärkt ihr eigenes Leben lebt, ohne dass etwas verloren ging. Man darf nicht vergessen, dass meine Mutter schon 85 Jahre alt ist, ich kann das selbst nicht glauben. Bei ihr ist nichts operiert und sie ist in mancherlei Hinsicht fitter als ich. Und das ist großartig für ihr Alter. Ich bewundere es, wie sie das alles macht und ihre Freude am Leben. Und die Tatsache, dass sie immer neugierig geblieben ist. Ihr Leben – das ist die Kunst, die Malerei. Das erfüllt sie und ist auch ihr großer Antrieb.“
Weihnachten steht vor der Türe. Feiern Sie gemeinsam?
Lola Paltinger: „Ja. Es ist sogar so, dass meine Mutter und mein Vater mit seiner Lebensgefährtin zu uns an den Tegernsee kommen. Mein Vater und seine Lebensgefährtin sind schon lange zusammen. Sie ist eine ehemalige Freundin meiner Mutter und ich bin mit ihren Kindern aufgewachsen, aber das läuft zum Glück alles sehr friedlich und harmonisch. Sie sind aber alle im Hotel untergebracht, da Andi, Lio und ich noch im Ferienhaus wohnen. Wir ziehen erst am 20. Januar in unser neues Haus ein.
Wir sind derzeit noch auf der Suche nach einem Laden, den ich gemeinsam mit meinem Lebensgefährten Andi, der mit Frederic Meisner Trachten für Männer macht, eröffnen werde, was sich aber nicht so einfach gestaltet. Deswegen werde mir zu Hause vorläufig oder auch dauerhaft ein Atelier einrichten, da dort genügend Platz ist. Ich kann dort wunderbar Kunden empfangen, zumal es einen extra Eingang gibt. Der Dreh- und Angelpunkt soll aber trotzdem irgendwann der Laden sein.“
Warum der Tegernsee?
Lola Paltinger: „Wir hatten schon länger den Gedanken, dass es schön wäre etwas weiter draußen zu wohnen. Durch die Corona-Krise und die Tatsache, dass das Oktoberfest ausfiel, hat sich das absolut manifestiert. Andi‘s Bruder David Meister und seine Frau Sophie leben ebenfalls hier. Irgendwann kam mir und Andi die Idee, wir hier am Tegernsee gemeinsam ein Geschäft eröffnen können. Ich bin nach wie vor viel bei HSE und kann deswegen nicht immer im Laden sein. So können wir uns abwechseln. Wir ergänzen uns gut, da wir Damen- und Herrenmode machen. Auch mein Sohn Lio, der hier aufs Gymnasium geht, fühlt sich sehr wohl hier. Zum Glück konnte ich meine Schneiderei, die ihren Sitz in Nürnberg hat, durch die Krise manövrieren, das stand in der Pandemie zeitweise auf der Kippe. Darüber bin ich sehr, sehr froh. Ohne meine kleine, feine Manufaktur könnte ich auch in einem Ladengeschäft meinen Kunden längst nicht so viel bieten.“
Interview führte Andrea Vodermayr