Die Wintersport- und Indoor-Saison ist da. Und mit ihr – leider – auch die Zeit der Unfälle und Sport-Verletzungen. Bei der Münchner Orthopädin und Chirurgin Dr. med Helen Abel ist die chirurgische Privatpraxis am Friedensengel derzeit Anlaufstelle für viele Amateursportler. Zu schnell kann man sich beim Skifahren, Tennis- oder Golf-Indoor-Training Verletzungen zuziehen. Die Münchner Medizinerin berät und behandelt bei allen akuten und chronischen Beschwerden an Ellenbogen, Handgelenk und Hand. Neben Tipps bei Sportverletzungen erklärt sie uns, warum OPs in vielen Fällen vermieden werden können! Auch zum Spruch ‚Das wahre Alter erkennt man an den Händen‘ hat die Handchirurgin eine Experten-Meinung!
Ein Gespräch mit der Münchner Handchirurgin Dr. Helen Abel
Welche Arten von Sport-Verletzungen behandeln Sie?
Dr. Helen Abel: ‚Alle Arten von Sportverletzungen ab dem Ellenbogen. Hierzu zählen nicht nur die akute Verletzung wie beispielsweise Ball auf den Finger beim Volleyball/Handball oder der Sturz auf das Handgelenk beim Fußball, sondern auch die chronischen Verletzungen wie Sehnenüberlastung (zum Beispiel der Tennis-Arm oder der Golfer-Ellenbogen) oder schmerzhafte Reizzustände.
Auch repetitive Bewegungsabläufe wie beispielsweise das Schlagen beim Tennis können zu Verletzungen im Handgelenk führen. Gerade bei Sportlern ist die Rehabilitation und die enge Zusammenarbeit mit spezialisierten Handtherapeuten eminent wichtig. Ebenso zu nennen sind alle Arten von Kampfsport, die schnell Hand- bzw. Ellenbogenverletzungen nach sich ziehen. Ggf. sollte auch der Trainer in den Rehabilitationsprozess mit einbezogen werden, da gerade bei Überlastungen oder chronischen Reizzuständen eine repetitive Fehlbelastung oder auch unpassendes Material wie Schläger, falsche Bewegungen etc. zugrunde liegen können.“
In welchen Fällen raten Sie zu einer OP? Muss das immer sein?
Dr. Helen Abel: ‚Gerade in der Handchirurgie können Operationen in vielen Fällen vermieden werden. Selbstverständlich gibt es Diagnosen, die unbedingt einer Operation bedürfen, wie beispielsweise ein in Fehlstellung stehender Knochenbruch oder ein instabiler Bänderriss. Andererseits gibt es auch Erkrankungen, wie beispielsweise ein Golfer- oder Tennisellenbogen, eine Sehnenscheidenentzündung oder Bewegungseinschränkungen, die sehr gut zunächst konservativ therapiert werden können, mit manueller Handtherapie, Eigenblut-Injektionen und ggf. einer entsprechenden temporären Schienung.
Hier arbeite ich eng mit spezialisierten Handtherapeuten zusammen. Zu einer Operation rate ich immer dann, wenn es keine konservativen Therapiemöglichkeiten mit Erfolgsaussicht gibt oder die konservativen Therapiemöglichkeiten schon ausgeschöpft sind. Bei Erkrankungen wie beispielsweise der Arthrose entscheide ich mit dem Patienten zusammen, wann der Leidensdruck so groß ist, dass es Zeit für eine Operation wird.‘
Für viele sind Kliniken speziell Unfallkliniken erste Anlaufstellen bei Sportverletzungen! Was ist ihre Meinung dazu?
Dr. Helen Abel: ‚Kliniken sind meist große, oft anonyme Häuser. Patienten haben das Gefühl, eine Nummer zu sein. Wer kennt nicht die überfüllten Notaufnahmen und Sprechstundenwartezimmer, um irgendwann früher oder meistens eher später von einem mehr oder weniger einfühlsamen und kompetenten Arzt angesehen zu werden… Meist kommt erst der Assistenzarzt und irgendwann mit Glück ein entsprechender Oberarzt.
Patienten wollen einen festen Ansprechpartner, der sowohl menschlich als auch fachlich bestens ausgebildet ist. In erster Linie ist selbstverständlich die Kompetenz des behandelnden Arztes von Bedeutung, aber auch das Ambiente spielt eine große Rolle. Wenn Patienten sich selbst aussuchen können, wohin und zu wem sie gehen, dann werden sie eine ansprechende Praxis, in der sie nicht lange warten müssen bevorzugen.
Ich als Ärztin kann mir ausreichend Zeit für jeden meiner Patienten nehmen und nütze neueste medizinische Technik (z. B. ein hochauflösendes Ultraschallgerät). In Kliniken hingegen herrscht leider oftmals Zeitdruck und veraltete Technik ist vorhanden. Es sind auch Kleinigkeiten, die bei uns den Unterschied machen. In der Praxis bekommen unsere Patienten beispielsweise nach der OP-Narkose ein entsprechend vollwertiges Essen, während in der Klinik Zwieback und Tee gereicht werden. Das Wichtigste – auch im Medizinsektor – ist aber eine vertrauensvolle Patienten-Arzt Beziehung, denn diese führt am Ende auch zu den gewünschten guten Ergebnissen.‘
In der Unfall-Schnellversorgung wird gern geschient. Warum ist die Zweitmeinung durch Handspezialisten signifikant?
Dr. Helen Abel: ‚Hände verzeihen eine Fehltherapie oder eine falsche oder sogar z.B. eine zu lange angelegt Schiene kaum bis gar nicht. Es werden mit größter Wahrscheinlichkeit Bewegungseinschränkungen oder steife Gelenke zurückbleiben.
Übersehene, zu spät oder falsch therapierte Infektionen können sogar zu einem Verlust von Fingern oder der Hand führen. Dementsprechend ist die Beratung und Behandlung durch einen spezialisierten Handchirurgen mit Erfahrung signifikant wichtig.‘
Wie kam es dazu, dass Sie sich auf Hände spezialisiert haben?
Dr. Helen Abel: ‚Handchirurgie ist ein wunderschönes Fachgebiet, das Uhrhandwerk der Chirurgie sozusagen. Schon im Studium hat mich dieses Fach sehr interessiert und ich habe schon damals Fortbildungen in diesem Bereich gemacht. Außerdem hatte ich ein Stipendium für die Harvard Universität in Boston, wo ich ebenfalls ein Praktikum in der Handchirurgie machen konnte. Ich habe meinen Facharzt im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie gemacht und mich danach sehr schnell auf die Hände spezialisiert.
Gerade die Orthopädie hat mich zwar aufgrund meiner Sportaffinität sehr interessiert, aber man muss sich auf ein Fachgebiet fokussieren, wenn man Spezialist sein möchte. Die Handchirurgie umfasst das, was mich an der Orthopädie immer sehr interessiert hat: Sportverletzungen und Gelenkchirurgie (d.h. Arthrose, künstlicher Gelenkersatz, Sehnen- und Bänderverletzungen), das was mich an der Traumatologie interessiert (Brüche, Notfallversorgungen, Unfallverletzungen) mit der höchst faszinierenden Welt der mikrochirurgischen Nerven und Gefäßchirurgie.
Auch das Patientenspektrum ist riesig: Sowohl der junge Profisportler als auch das Kind und die ältere Dame mit der Daumensattelgelenksarthrose haben Bedarf danach. Sowohl der Berufsmusiker als auch der Handwerker oder der Rechtsanwalt kommen mit Problemen, die entsprechend deren Anforderungen an die Hände oder Finger so elementar wie individuell sind. Wie essentiell wichtig die Hände sind, merken Patienten oft erst wenn sie ein Problem haben. Und dann komme ich in Spiel.‘
Welche Erkrankungen der Hand behandeln bzw. operieren Sie am Häufigsten?
Dr. Helen Abel: ‚Das kann ich so pauschal gar nicht beantworten, da ich ja letztlich alles an Handgelenk, Hand und Finger bis hin zum Ellenbogen behandele. Und nicht jede Erkrankung muss auch gleich operiert werden. Sehr häufig sind sicherlich Brüche an Fingern, Hand und Handgelenk. Aber auch solche Erkrankungen wie beispielsweise die Daumensattelgelenksarthrose, das Karpaltunnelsyndrom oder der schnappende Finger werden zurecht als „Volkskrankheiten“ bezeichnet. Und dementsprechend oft sehe ich diese Patienten:innen in meiner Sprechstunde.‘
Das komplette Behandlungsspektrum findet man auf der Internetseite handchirurgie-abel.de
Erkennt man wirklich das wahre Alter an den Händen?
Dr. Helen Abel: ‚Dank der modernen Behandlungsmethoden in der ästhetischen Medizin ist es heutzutage oft schwierig, das wahre Alter einer Person beim Blick in das Gesicht zu erkennen. Die Hände jedoch sind unsere Visitenkarte und verraten das tatsächliche biologische Alter des Menschen. Durch den natürlichen Alterungsprozess verlieren die Hände im Laufe des Lebens an Unterhautfettgewebe. Umwelteinflüsse wie UV-Strahlung führen dazu noch zur Ausbildung von Pigmentflecken, die umgangssprachlich auch als Altersflecken bezeichnet werden. Wenn dies die Patienten stört, kann man was dagegen tun. Wichtiger aber ist es tatsächlich, intakte Hände zu haben. Erst wenn man eine verletzte Hand oder schmerzende Finger hat, weiß man die Unversehrtheit dieser zu schätzen.‘
Interview Andrea Vodermayr
Dr. med. Helen Abel hält seit Jahren auf nationalen und internationalen Kongressen Vorträge und ist als Instruktor für handchirurgische Kurse geladen. Ferner berät sie Medizinfirmen und ist an der Entwicklung neuer Implantate und Techniken involviert.
Berufliche Stationen von Dr. med. Helen Abel
Berufliche Stationen von Dr. med. Helen Abel
Ihre Approbation erlangte sie im Jahre 2008, ebenso die Promotion mit dem Thema: Analyse der nukleären Translokation und DNA-Bindungsaktivität von STAT1 und STAT3 im polytraumatisierten Patienten in der frühen posttraumatischen Phase.
2008 begann sie auch ihre Facharztweiterbildung in der Klink für Unfallchirurgie des Klinikums rechts der Isar der TU München unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ullrich Stöckle (später Univ.-Prof. Dr. Peter Biberthaler). Es folgten Rotationen in die Orthopädie des Klinikums rechts der Isar der TU München (Prof Dr. R. Gradinger und Prof. Dr. von Eisenhart-Rothe) und die Sportorthopädie (Prof. Dr. A. Imhoff).
2014 erlangte sie die Facharztbezeichnung Unfallchirurgie und Orthopädie.
2015 Habilitation (Altersbedingte Immunsystemänderungen beeinflussen die Rekonvaleszenzfähigkeit nach Trauma und den Knochenstoffwechsel) erlangte sie 2017 außerdem die Zusatzbezeichnung Handchirurgie. Seit 2015 ist sie in der Klink für Unfallchirurgie als Oberärztin der Handchirurgie tätig.