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Wie konservativ sind SIE?

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Wie konserativ sind wir alle? Dr. Hans Christian Meiser, Kolumnist bei Exklusiv München, ist Philosoph, Psychologe, Publizist und Programmdirektor von Radio 39. Denken und Sport sind seine Leidenschaft
Dr. Hans Christian Meiser, Kolumnist bei Exklusiv München, ist Philosoph, Psychologe, Publizist und Programmdirektor von Radio 39. Denken und Sport sind seine Leidenschaft.

 

Konservativ sei wieder sexy, verkündete vor einigen Monaten Markus Blume, stellvertretender Generalsekretär der CSU, in einem Grundsatzpapier für die Union. Sogleich wurde, vor allem durch Alexander Dobrindt veranlasst, eine „konservative Revolution der Bürger“ salonfähig. Aber es begann auch der Streit darüber, was „konservativ“ eigentlich bedeutete und wer konservativ sein.

Eigentlich könnte man das Problem ganz einfach lösen: Das Wort stammt vom lateinischen Verb „conservare“ und das heißt ganz schlicht: bewahren, beibehalten. Wer also etwas bewahrt, wäre nach dieser Auffassung konservativ – ein Antiquar z.B., der Bücher aufbewahrt oder ein Polizist, der uns vor Gefahren bewahrt oder ein Richter, der die Gesetze nicht bricht, sondern beibehält. Sonderbarerweise wohnt diesem Begriff aber auch stets etwas Negatives inne.

Wer konservativ sei, so wird impliziert, stelle sich dem Fortschritt entgegen, verhindere eine Weiterentwicklung, wolle alles so belassen, wie es ist.

DIE EINHEIT DER GEGENSÄTZE

Anton Hofreiter, einer der beiden Vorsitzenden der grünen Bundestagsfraktion, bringt die Problematik auf den Punkt: Er hält sich selbst für nicht-konservativ, hat aber als Naturwissenschaftler uralte Pflanzenarten erforscht, die man retten müsste. Gefragt, ob das nicht doch konservativ sei, meint er, man könne dies genauso gut als fortschrittlich bezeichnen, „weil ich weiß, dass neues Leben altes braucht.“

Man kann nun fragen, ob der Konservative positiv denkt oder negativ. Einerseits will er erhalten, stellt sich aber offenbar einer geistig-kulturellen Evolution in den Weg, auch wenn er das gar nicht möchte, denn auch er würde ja vom Vorwärtsschreiten in der Geschichte profitieren. Womit wir beim Kern der gesamten Diskussion angelangt sind: Wie lange währt das Bewahren? Mit anderen Worten: Kann man überhaupt konservativ sein, wo sich ohnehin doch alles permanent verändert? Den Fortschritt kann man nicht aufhalten. Und selbst, wenn man es vermöchte: Wem sollte das nützen?

Gerade erschienen: Das konserative Manifest von Dr. Wolfram Weimer. 112 Seiten, erschienen im Plassen Verlag, 9,99 €
Gerade erschienen: Das konservative Manifest von Dr. Wolfram Weimer. 112 Seiten, erschienen im Plassen Verlag, 9,99 €. Fotocredit Wolfram Weimer: SchneiderPress

DAS KONSERVATIVE MANIFEST

Dr. Wolfram Weimer, Journalist, Publizist und Verleger (u.a. Chefredakteur des Focus sowie Gründungsmitglied und Chefredakteur des Politmagazins Cicero), hat angesichts solcher Fragen ein „Konservatives Manifest“ verfasst, „Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit.“

Ähnlich wie das „Kommunistische Manifest“ besteht sein Text freilich nicht allzu vielen Buchstaben (würde man die Worte ähnlich eng drucken wie die der Schrift von Marx und Engels, käme man auf ca. 30 Seiten). Daneben existieren noch wesentlich kürzere Leitschriften, z.B. das „Surrealistische Manifest“ von André  Breton und das sehr knapp gehaltene „Dadaistische Manifest“ von Tristan Tzara und anderen Künstlern.

Was haben die genannten Werke gemeinsam?

Sie suggerieren ihren Lesern, dass die Befolgung ihres Inhalts zu einer Verbesserung der Welt, der Lebensbedingungen, der finanziellen oder künstlerischen Verhältnisse führen würde. Hier sehe ich die größte Problematik, speziell beim „Konservativen Manifest“, das sich im Untertitel nicht umsonst auf die biblischen Anweisungen  bezieht. Für jemanden wie mich, der als Post-68er aufwuchst, klingen sie einigermaßen erschreckend: Person würdigen/Familie lieben/Heimat leben/Nation ehren/Kulturkreis kennen/Tradition hegen/Recht und Ordnung respektieren/Eigentum und Wohlfahrt stärken/Tugend pflegen/Gott achten.

Das Besondere dabei ist aber nun, dass die Interpretation dieser Appelle durchaus beachtlich ist. Und weit entfernt von einem ultrarechten Spektrum, wie man zunächst vermuten könnte. Dr. Wolfram Weimer ist es gelungen, seine Erkenntnisse mit erstaunlichen Einsichten, passenden Zitaten und aufrüttelnden Fakten zu füllen, etwa, wenn es um die Zukunft Europas geht. Hier macht er klar, dass sich unser Kontinent nicht mehr vermehrt, weder biologisch, noch räumlich, noch kulturell, noch wirtschaftlich, dass aber der „Konservative“ diesem Untergang entgegenwirken möchte. Gerade an dieser Stelle zeigt sich, dass eine konservative Haltung durchaus mit Fortschrittsglauben gepaart sein kann.

STOIBERS ANSATZ

Edmund Stoiber ist ein gutes Beispiel für diese eigentlich widersprüchliche Haltung. Niemand wird in Frage stellen, dass der frühere bayerische Ministerpräsident durch und durch konservativ ist. Gleichzeitig wird aber ebenso niemand behaupten können, er hätte sich dem den Fortschritt verweigert. Im Gegenteil: Edmund Stoiber war es, der es perfekt verstand, Lederhosen-Tradition mit Hightech-Zukunft zu vereinen.

Wolfram Weimers Manifest hat nur einen (kleinen) Nachteil: Es setzt in seiner Begrifflichkeit voraus, dass es ein gesamtgesellschaftlich akzeptiertes Verständnis von dem gäbe, was die Begriffe „konservativ“ und „der Konservative“ beinhalten. Leider ist es so, dass der Autor seiner Interpretation in diesem Punkt freien Lauf lässt (Beispiel: „Der Konservative hat ein Empfinden für Zivilisation“ – das hat aber gewiss auch jeder Nicht-Konservative). Vielleicht wäre es besser gewesen, statt des reißerischen Titels einen sachlicheren zu wählen, z.B. „Welche Werte heute wichtig sind – Eine Analyse des aktuellen Zeitgeistes.

Denn genau das beinhaltet das Werk, dessen Quintessenz lautet: „Konservativ ist nicht ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.“ Oder in Kurzform: „Zukunft braucht Herkunft.“ So könnte auch ein CSU-Wahlslogan lauten (ist aber der Titel eines Buches des Philosophien Odo Marquard). Womit wir wieder bei Alexander Dobrindt und Markus Blume wären, der vor dem eingangs zitierten Satz schrieb: „Normalerweise sieht der Konservative den Zeitgeist eher skeptisch. Doch heute ist das Konservative das neue Moderne.“

Das Erfolgsgeheimnis der Katholischen Kirche

Dieser Diskussion möchte ich noch ein Zitat beifügen: „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird schnell Witwer“, sagt Friedrich Nietzsche. Es ist schon erstaunlich: Wir brauchen Zeitgeist, Fortschritt, Neues. Aber gleichzeitig wollen wir das einmal Erworbene bewahren. Die katholische Kirche, die – würde man sie als global tätige Firma betrachten – kann da mit gutem Beispiel vorangehen. Denn es muss einen Grund geben, dass sie sich 2000 Jahre lang erstaunlich gut gehalten hat. Einerseits hat sie sich – freilich meist unter äußerem Druck – geringfügigen Neuerungen unterworfen. Ist aber gleichzeitig, trotz aller Kritik, ihren uralten Prinzipien, Dogmen und Lehrmeinungen treu geblieben. Vielleicht liegt hierin das Geheimnis des Erfolges begründet: ‚Nicht aussteigen, sondern im Sturm weiterrudern.‘ Dieses Zitat stammt allerdings nicht von einem Katholiken, sondern von dem evangelisch-reformierten Theologen Karl Barth. Er war Schweizer. Und an den Schweizern kann man ja besonders gut erkennen, wohin es führt, wenn man sich dem Konservatismus zuneigt …

Halten Sie sich, liebe Leser, für konservativ?

Oder was sagt Ihnen der Wertekonservatismus? Wir freuen uns, wenn Sie uns Ihre Meinung mitteilen. Am besten senden Sie diese an folgenden Email-Adresse: meisersmore@exklusiv-muenchen.de. Vielen Dank!

Ihr

Dr. Hans Christian Meiser.

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