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Bayern Kruzifix: Gedanken zum Kreuzzug von und gegen Markus Söder

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JA, Bayern KRUZIFIX!
JA, KRUZIFIX!

Das geht ja gut los! Kaum ist Markus Söder im Amt, schon gibt es Streit – und zwar um ein Symbol, auf dem das christliche Abendland seine Wertvorstellungen begründet: dem Kreuz. Es ist Zeichen für die Leiden Jesu Christi, Symbol der Auferstehung, Hoffnung auf ein Leben nach dem Leben, ethischer Maßstab und positive Verheißung zugleich.

In hoc signo vinces,“ „Unter diesem Zeichen wirst Du siegen“ – dieser Satz erschien dem römischen Kaiser Konstantin (zwischen 270 und 288 n. Chr. – 337 n.Chr.) zusammen mit dem Kreuz kurz vor einer Schlacht im Jahre 312 im Traum. Natürlich gewann Konstantin. Aus Dank für diese göttliche Fügung wurden die Christen fürderhin nicht mehr verfolgt, ihr Glaube formte sich sogar zur Staatsreligion. Dieses Ereignis nennt man heute die Konstantinische Wende. Ohne sie gäbe es das Meiste, was das christliche Abendland bis heute prägt, nicht.

Bayern Kruzifix
ALLES NUR EIN WAHLKAMPFMANÖVER?

Nun möchte Markus Söder eben jenes Kreuz, das nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1995 in bayerischen Volksschulen abgehängt werden durfte, in bayerischen Amtsstuben wieder aufhängen. In Schulen zumindest, so urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011, würden dadurch keine Grundrechte verletzt. Will der neue bayerische Ministerpräsident wie Kaiser Konstantin mit der Markussöderschen Wende  ebenfalls in die Geschichtsbücher eingehen? Verleiht ihm die Hoffnung Gewissheit, dass er mit der Kreuzdebatte bei der bevorstehenden Landtagswahl zur absoluten Mehrheit gelange? Möchte er die christlichen Werte und somit das Abendland vor dem Untergang retten?

Interessant ist, dass die die meisten Reaktionen auf sein Handeln nicht unbedingt positiver Natur sind – das geht von den Mitgliedern der eigenen Partei, der Christlich (!) Sozialen Union, bis hin zu Satire im Netz. Und auch die Kirchen selbst stehen diesem Akt eher argwöhnisch als zustimmend gegenüber – was wiederum den Ministerpräsidenten ärgert, der sich gerade von kirchlicher Seite mehr Unterstützung und Verständnis für sein Handeln erwartet hätte. Schließlich verteidigt er deren Werte, was die kirchlichen Institutionen freilich gerne selbst täten, womöglich aber nicht mehr so recht in der Lage sind, da sie den Auflösungserscheinungen des von ihnen vertretenen Glaubens eher hilflos gegenüberstehen. Nach 1945 wurden allerorts Kirchen kraft- und hoffnungsvoll erbaut, nur 70 Jahre später müssen sie oftmals verkauft werden.

BEKENNERTUM ODER NEUTRALITÄT?

Nun ist das Verhältnis von Kirche und Staat in Deutschland seit fast 100 Jahren geregelt. Der Staat gewährt Religionsfreiheit und verhält sich selbst weltanschaulich neutral. Gleichzeitig aber bestimmt er die kirchlichen Feiertage, den Religionsunterricht an den Schulen, das Theologie-Studium an staatlichen Universitäten. Und er soll die Kirchensteuer eintreiben. Auch in öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten dürfen Vertreter der Kirchen nicht fehlen ebenso wie in manch einer Ethik-Kommission (mit Ausnahme der des Musikpreises Echo).

Wirklich getrennt sind also Kirche und Staat hierzulande nicht immer – und in Bayern noch viel weniger – schließlich gehören Kirche und Wirtshaus, Hochwürden und Brauchtum zusammen wie Franz Josef Strauß und der weißblaue Himmel dieses so besonderen Freistaats.

Wenn Markus Söder das alles bekannt ist, weshalb bricht er dann einen Streit vom Zaun, von dem er sich doch denken kann, wohin derselbe führt? Man hat ihm natürlich vorgeworfen, er wolle mit seiner Aktion die Wähler der AFD zurückgewinnen. Er selbst sieht es gänzlich anders: Das Kreuz sei nicht nur religiöses Symbol, sondern gehöre „auch zu den Grundfesten des Staates“, habe eine „identitätsstiftende, prägende Wirkung“ für die Gesellschaft und sei zudem „ein Stück Selbstvergewisserung unserer kulturellen, gesellschaftlichen und immateriellen Werte“.

Und dann spricht er entscheidende Worte: „Ich wundere mich, dass wir über Toleranz für andere Religionen reden, und uns nicht trauen, zu unseren eigenen Werten, zu unserer eigenen Religion zu stehen.“ Hinter dem Bayern Kruzifix stehe ein „ideelles Wurzelgeflecht, das, was unser Land geprägt hat: die Kirchen, die Klöster, die Werte, die religiöse Erziehung, die kirchliche Prägung dieses Landes“.

Da hat er ganz gewiss Recht. Für mich tauchen hier dennoch zwei Fragen auf:

1a) Ist es die Aufgabe eines Ministerpräsidenten, darüber zu entscheiden, ob „unsere Werte“ mit dem Kruzifix symbolisiert gehören?

1b) Wenn nicht, wem sollte man diese Aufgabe überlassen?

2) Weshalb verteidigen die Kirchen, die sich auf das Kreuz berufen, dieses nicht selbst, sondern scheinen sich aus lauter Toleranzgebaren eher darüber zu freuen, wenn es aus dem öffentlichen Raum verschwindet?

UND WAS TUN DIE KIRCHEN?

Zur Erinnerung: Als Kardinal Marx und Landesbischof Bedford-Strohm als die beiden führenden Vertreter der deutschen Christen (das sind fast 24 Millionen Katholiken und etwas mehr als 22 Millionen Protestanten) im Herbst 2016 bei ihrem Besuch am Tempelberg und an der Klagemauer in Jerusalem von den muslemischen und jüdischen Zuständigen für die heiligen Bezirke gebeten wurden, ihr Amtskreuz nicht zu tragen, kamen sie dieser Aufforderung nach und verbargen ihre Kreuze unter ihrem Habit. Wieder zuhause wurden sie für diesen Unterlassungsakt schwer kritisiert, obwohl sie klar gemacht hatten, dass diese Handlung bzw. Nichthandlung nicht von ihnen selbst veranlasst worden war und sie der Bitte nachkamen, nicht zu provozieren, wie der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland später erklärte.

Nun kann man sich fragen, wieso ein christliches Kreuz eigentlich etwas Provozierendes ist bzw. was es denn genau provoziert, und weshalb Vertreter anderer Religionen weniger Rücksicht auf das Werteverständnis ihrer Gastgeber nehmen, sondern es als ganz normal empfinden, als diejenigen aufzutreten, als die sie eingeladen worden sind. Und da gehört das Symbol, egal wie es aussehen mag, nun einmal dazu. Kopftuch ja, Bayern Kreuz nein?

Hinter all dem steht aber die viel tiefere Frage, warum ein ideeller Wert, der durch ein Symbol repräsentiert wird, zu Ausschreitungen, Provokationen, ja, in letzter Konsequenz zu Kriegen führen kann. Und man darf dabei nicht vergessen, dass im Zeichen des Kreuzes nicht nur die meisten Kriegen gegen Juden und Muslime geführt worden sind, sondern sogar noch mehr gegen andere christlichen Konfessionen – bis in die heutige Zeit (siehe Nordirland“konflikt“).

EIN NÜRNBERGER BEN HUR

All dies ist Markus Söder sicherlich bekannt und bewusst. Und dennoch … Vielleicht ist er als fränkischer Protestant dem Kreuz so nahe wie man es sich anderenorts ebenfalls wünschen würde? Oder er hat in seiner Jugend den Hollywood-Schinken Ben Hur gesehen. Dort fragt der Römer Messala, wie man das aufkommende Christentum bekämpfen könne. „Ihr könnt den Leuten den Kopf einschlagen,“ antwortet Ben Hur, „Ihr könnt sie festnehmen und ins Gefängnis werfen, aber Ihr könnt ihre Gedanken nicht einsperren. Wie kann man eine Idee bekämpfen? Und besonders eine neue Idee?“ „Ihr fragt, wie man eine Idee bekämpfen kann,“ sagt daraufhin Messala. „Mit einer anderen Idee.“

Wir dürfen gespannt sein, gegen welche Ideen Markus Söder sich fürderhin wappnen muss. Dem filmischen Vorbild folgend könnte er einen Wagenkampf veranstalten und seine ärgsten Widersacher einfach in Grund und Boden fahren. Freilich nur, wenn ihm zuvor im Traum ein Kreuz samt zugehörigem In hoc signo vinces erschienen ist. Die bayerische Staatsregierung hatte ja immer schon einen besonderen Draht nach oben. Das wissen wir spätestens seit der Luwig-Thoma-Satire vom „Münchner im Himmel“. Dort soll Alois Hingerl, Dienstmann Nr. 172, nach seinem Tod die göttlichen Ratschlüsse in seine Heimat bringen. Kaum auf der Erde gelandet, begibt sich der gute Alois aber ins Hofbräuhaus, wo er heute noch sitzt – und weshalb die bayerische Regierung immer noch auf die göttliche Eingebung wartet … Es ist aber auch ein Kreuz!

Was denken Sie, liebe Leser? Kreuz hin oder her (weg)? Ihre Meinung interessiert uns sehr. Deshalb freuen wir uns, wenn Sie uns diese mitteilen. Am besten schreiben Sie uns meisersmore@exklusiv-muenchen.de. Vielen Dank!

Dr. Hans Christian Meiser, Kolumnist bei Exklusiv München, ist Philosoph, Psychologe, Publizist. Denken und Sport sind seine Leidenschaft. Hier mal zum Bayern Kruzifix
Dr. Hans Christian Meiser, Kolumnist bei Exklusiv München, ist Philosoph, Psychologe, Publizist. Denken und Sport sind seine Leidenschaft.

Ihr

Dr. Hans Christian Meiser.

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