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Pandemie und Weihnachtsfest: 5 Fragen an Münchner Chef-Infektiologe

Weihnachtliche Familienzusammenkünfte, die oft mit Reisegeschehen verbunden sind, bedeuten auch immer ein erhöhtes Infektionsrisiko, das es im Sinne aller Beteiligten und gerade der eigenen Familie so gering wie möglich zu halten gilt. Prof. Clemens Wendtner ist Chefarzt der Infektiologie in der München Klinik Schwabing und hat die ersten Covid-19-Patienten Deutschlands betreut. Der Mediziner beantwortet die häufigsten Fragen rund um Weihnachten in der Pandemie und gibt Tipps, wie sich das Fest in Anbetracht der bestehenden Infektionsrisiken möglichst sicher gestalten lässt.

Pandemie und München
Prof. Clemens Wendtner. Fotocredit: München Klinik

Wir möchten an Weihnachten als Familie mit Schulkindern zu „Oma und Opa“. Wie schützen wir diese am besten?

Prof. Clemens Wendtner: ‚Wer an Weihnachten Verwandte besucht, sollte dringend eine Selbstisolation vor Weihnachten in Erwägung ziehen, um das Ansteckungsrisiko zu verringern. Das gilt generell und insbesondere wenn die Angehörigen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-Verlauf haben, da sie beispielsweise älter sind oder eine Vorerkrankung haben. Da die Inkubationszeit, also der Zeitraum von der Ansteckung bis zum Auftreten erster Symptome, bei Covid-19 5-6 Tage beträgt und darüber hinaus bis zu 45 Prozent der Covid-19-Erkrankungen ohne Symptome verlaufen, sollte der Isolationszeitraum im Idealfall 10 Tage oder mehr betragen. Denn die Viruslast und damit die Ansteckungsgefahr für andere Menschen ist in der Zeit bis zur Symptomentwicklung am höchsten.

Neue Traditionen schaffen

Nach zwei Wochen ist das Ansteckungsrisiko auch im Falle einer unentdeckten Infektion, die ohne Symptome verläuft, also deutlich minimiert. Natürlich ist ein langer Isolationszeitraum nicht für jeden machbar. Dann sind weniger Tage der Selbstisolation besser als gar keine Isolation – man kann grundsätzlich sagen: Jeder Tag Selbstisolation gibt ein Stück mehr Sicherheit. Am Tag vor der Abfahrt zu Oma und Opa sollten alle Familienmitglieder nochmal überprüfen, ob sie symptomfrei sind – das heißt: kein Husten, keine erhöhte Temperatur, kein Kopfweh oder Durchfall, die Weihnachtsplätzchen riechen und schmecken noch wie sie sollen. In jedem Fall gilt in diesem Jahr auf das eigene Bauchgefühl zu hören und Weihnachten nicht aus reinem „Traditionsdruck“ wie gewohnt zu feiern: Wer kein gutes Gefühl beim großelterlichen Weihnachtsbesuch hat, ist in diesem Jahr sicher nicht der Einzige, der ganz darauf verzichtet – und Oma und Opa stattdessen die Videotelefonie erklärt. So lassen sich auch neue Traditionen schaffen.‘

Wie viel „AHA“ braucht es unterm Weihnachtsbaum?

Prof. Wendtner: Da Maske tragen und durchgehend 1,5 Meter Abstand halten mit der Familie unter dem Weihnachtsbaum schwierig ist, ist es umso wichtiger, dass der Teilnehmerkreis bei der Weihnachtsfeier so klein wie möglich gehalten wird und sich alle Beteiligten vorab konsequent isolieren. Auch dann hört „AHA“ in diesem besonderen Jahr allerdings besser nicht unterm Weihnachtsbaum auf – wir dürfen gerade bei den uns nahestehenden Menschen nicht vergessen, was wir das ganze Jahr über so konsequent gelernt und verinnerlicht haben. Händewaschen und Handhygiene sollten auch an den Weihnachtstagen weiterverfolgt werden, zur Begrüßung haben sich ja mittlerweile Formeln fernab des Handschlags fest etabliert. Und nicht zuletzt gilt bei längerem Beisammensein auf engem Raum: Lüften, lüften, lüften.

Zu älteren Verwandten mit dem Zug oder mit dem Auto fahren – was ist „sicherer“?

Prof. Wendtner: Aus infektiologischer Sicht ist sicherlich das Auto das bevorzugte Verkehrsmittel für die Weihnachtstage. Dann sollte innerhalb des Fahrzeugs aber auch kein Kontakt zu Personen aus anderen Hausständen bestehen. Fahrgemeinschaften mögen kostengünstiger und umweltschonender sein, sind in der Pandemie aber ein Infektionsrisiko und machen die idealerweise vorangegangene Isolation hinfällig. Alle Familienmitglieder, die gemeinsam im Auto in die Weihnachtstage aufbrechen, sollten sich in den Vorweihnachtstagen achtsam verhalten und Kontakte soweit möglich reduziert haben sowie symptomfrei sein. Sollte im Auto ein Risikopatient sein, kann es als zusätzliche Schutzmaßnahme sinnvoll sein, während der Fahrt Schutzmasken zu tragen und regelmäßig durch die Fenster zu lüften, um das Infektionsrisiko auch während der Fahrt weiter zu minimieren.

Wie schütze ich mich auf dem Weg in die Weihnachtstage im Zug?

Prof. Wendtner: Wer an Weihnachten mit der Bahn zur Familie reist, muss vermutlich auch dieses Jahr mit voll besetzten Zügen rechnen. Deshalb lohnt es sich in gute Schutzausrüstung zu investieren, da im Zug der Mindestabstand nicht immer eingehalten werden kann und viele Menschen auf längere Zeit in teils schlecht lüftbaren Waggons ein höheres Infektionsrisiko haben. Zertifizierte Masken schützen nachweislich besser vor einer Infektion als beispielsweise selbstgenähte Masken oder Schals.

Ich würde mindestens einen chirurgischen Einmal-Mund-Nasen-Schutz empfehlen, man sieht die typischerweise blauen Masken ja immer öfter. Diese können aber schnell durchfeuchten und dann ist der Schutz eingeschränkt. Für längere Fahrten ist daher eine FFP2-Maske sicherlich die noch bessere Wahl, die mindestens 94 Prozent der Aerosole aus der Luft filtert und den Träger sowie die Mitreisenden damit maximal schützt. Nach der Fahrt sollte man die Maske entsorgen und die Hände waschen und desinfizieren.

Ich mache am Montag einen Antigen-Schnelltest und besuche meine Verwandten an Weihnachten. Ist eine Ansteckung bei negativem Testergebnis ausgeschlossen? 

Prof. Wendtner: ‚Ein negatives Testergebnis in maximal 30 Minuten und im Anschluss sorgenfrei an Weihnachten die Urgroßmutter besuchen – so schön das wäre, entspricht das innerhalb unserer verfügbaren Testmöglichkeiten aktuell leider nicht der Realität. Der Goldstandard unter den Tests ist weiterhin der aufwändigere PCR-Test, der im Labor ausgewertet wird. Neben der geringeren Zuverlässigkeit sind die Schnelltests nur für maximal 24 Stunden „aussagekräftig“. Wer am Montag den Test macht und am Donnerstagabend zu Verwandten fährt, müsste den Test demnach am Donnerstagvormittag zur Sicherheit wiederholen. Antigen-Schnelltests schlagen außerdem vor allem bei bereits bestehenden Symptomen an und können hier sinnvoll sein, um unspezifische Erkältungssymptome einzuordnen.

PCR-Test am aussagekräftigsten!

In der aktuellen Situation würde ich aber dringend davon abraten mit Fieber, trockenem Husten und Co. die Verwandten zu besuchen – negativer Schnelltest hin oder her. Wer eindeutig krank ist, sollte sich auskurieren und im Sinne der Liebsten auf ein persönliches Treffen verzichten, denn neben Covid-19 gibt es weitere Viruserkrankungen, die man seiner Familie nicht gerne an den Weihnachtsbaum bringen möchte. Bei gesunden Menschen ist die beste Absicherung vor dem Familienbesuch immer noch die strenge vorherige Selbstisolation – wem das nicht genügt, der ist mit einem PCR-Test vor dem Weihnachtsbesuch als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme besser beraten. In vielen Hausarztpraxen ist das auf eigene Kosten möglich, es ist aber sicherlich zu empfehlen, hier frühzeitig Kontakt aufzunehmen.‘

Pandemie in Zahlen: Eine Zwischenbilanz der München Klinik nach 10 Monaten

Die München Klinik versorgt bereits seit Januar Covid-19-Patienten – hier wurde am 27. Januar der erste Covid-19-Patient der Firma Webasto am Standort Schwabing eingeliefert und vom Team der Infektiologie rund um Chefarzt Prof. Clemens Wendtner versorgt. In der München Klinik wurden bis heute über 1.300 Covid-19-Patienten versorgt (zusätzlich weitere knapp 3.000 Verdachtsfälle) – davon mit rund 600 Patienten die meisten am Standort Schwabing. Hier wurde das Haus 3 mit Normal- und Intensivbereichen eigens zur optimalen Covid-19-Versorgung aus- und umgebaut – an allen Standorten wurden eigene Bereiche zur Covid-Versorgung geschaffen und Behandlungspfade strikt getrennt.

Pandemie Grafik Credit
Grafik-Credit: München Klinik

Mit rund 110 Patienten wurden die meisten Covid-Intensivpatienten in Schwabing betreut. Die Sterblichkeit der behandelten Covid-19-Patienten liegt in der München Klinik insgesamt bei 9 Prozent. Das liegt unter der ermittelten deutschlandweiten Sterblichkeit einer Publikation in Lancet Respiratory Medicine, wonach in Deutschland im Frühjahr jeder fünfte stationär behandelte Covid-19-Patient verstorben ist. Von den Intensivpatienten schafften es in der München Klinik 28 Prozent nicht. Das liegt im bundesweiten Durchschnitt, wonach jeder vierte Covid-Intensivpatient verstirbt.

Die meisten Patienten sind im Alter zwischen 45 und 64 Jahren

In der München Klinik wurden mehr Männer (rund 800) als Frauen (rund 600) mit Covid-19 versorgt. Die meisten Patienten sind im Alter zwischen 45 und 64 Jahren. Rund 460 Covid-19-Patienten können in der München Klinik dieser Altersgruppe zugeordnet werden, die gemäß ihrem Alter nicht der Risikogruppe für schwere Covid-19-Verläufe entsprechen.

Erst die zweitgrößte Patientengruppe bilden die 75 bis 84-Jährigen, und damit nach ihrer Altersstruktur die Risikopatienten, mit rund 370 Patienten. Auch jüngere Menschen wurden in der München Klinik versorgt: Im Alter zwischen 15 und 44 Jahren wurden ebenfalls über 250 Covid-19-Patienten in der München Klinik versorgt und rund 50 Kinder im Alter bis 14 Jahren.

„Wir sehen im Krankenhaus Covid-19-Patienten jeden Alters – wobei die Patienten heute im Schnitt jünger sind, als noch im Frühjahr. Denn auch bei jüngeren Menschen können Vorerkrankungen vorliegen und einen schweren Verlauf begünstigen – gleichzeitig scheinen sich ältere Menschen gut zu schützen. Wir als Gesellschaft sollten sie dabei weiterhin bestmöglich unterstützen, die Kontakte reduzieren und die AHA-Regeln weiterhin einhalten. Das macht sicherlich keinen Spaß, aber rettet Menschenleben“, sagt Prof. Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing. Fast alle Patienten der München Klinik kommen aus München oder dem Landkreis München.

Therapie: Im Schnitt 10 Tage, in schwersten Fällen mehrere Monate

Im Schnitt bleibt ein Covid-19-Patient 10 Tage zur stationären Behandlung in der München Klinik. Die Verweildauer auf der Intensivstation beträgt im Schnitt 15,5 Tage, wobei schwerstkrankte Menschen mehrere Wochen bis Monate in der Klinik versorgt werden müssen.

Zum Vergleich: Die durchschnittliche Verweildauer auf der Intensivstation für Non-Covid-Patienten beträgt in der München Klinik 4 Tage – das zeigt, wie aufwändig die intensivmedizinische Versorgung von Covid-19-Patienten im Vergleich zu anderen Krankheitsbildern ist. Schwerste Fälle wurden bis zu 60 Tage oder länger in der München Klinik versorgt.

Jeder vierte Intensivpatient braucht außerdem eine Dialyse, denn Covid-19 greift mehrere Organe an, darunter auch die Nieren. Die Versorgung erfordert aufwändige Maßnahmen im Bereich Mitarbeiter- und Patientenschutz!

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